Die Nutzung und Pflege von Streuobstwiesen muss sich wieder lohnen - für Landwirt:innen, gemeinnützige Vereine und Privatleute! Der Mehraufwand für umweltschonenden Anbau und ökologische Leistung muss honoriert werden. Dazu braucht es attraktive Förderprogramme, die folgende Punkte berücksichtigen:
Unser Vorschlag: Förderprogramme für die Neuanlage oder Nachpflanzung von Streuobstwiesen oder Obstalleen müssen eine angemessene Finanzierung für die 5-jährige Etablierungspflege und den 15-jährigen Erziehungsschnitt enthalten. Diese Förderung sollte auch für die Pflanzung von hochstämmigen Kern- oder Steinobstbäumen in Systemen, welche nach §4 GAPDZV als Agroforstsystemen angelegt werden, gelten.
Hochstamm-Obstbäume benötigen für ihre Etablierung mind. 5 Jahre eine bewuchsfreie Baumscheibe, regelmäßige Bewässerung, ggf. eine Kompostgabe sowie 15 Jahre einen jährlichen Erziehungsschnitt, um ein tragfähiges Kronengerüst zu entwickeln. Findet diese Entwicklungspflege nicht statt, verbleiben die Bäume weitestgehend in ihrer Ausgangsgröße, vergreisen früh oder bekommen statische Probleme mit resultierenden Astbrüchen und sterben früher ab.
Im besten Fall sollte die Förderung für Neupflanzungen eine Finanzierung des Erziehungsschnittes bis zum 15. Standjahr vorsehen. Wenn dies nicht möglich ist, sollten die Kosten für Entwicklungspflege und -schnitt mindestens für die Laufzeit einer durchschnittlichen Förderperiode von 5 Jahren finanziert werden. Um die Vitalität der Obstbäume sicherzustellen, ist der Übergang in eine anschließende fortlaufende Förderung für den Obstbaumschnitt unabdingbar und sollte daher mit einem möglichst geringen bürokratischen Aufwand möglich sein (siehe nächster Punkt).
Förderkulissen, welche nur die reinen Pflanzkosten und die Anwuchspflege in den ersten drei Jahren fördern, sind als ineffektiv abzulehnen. Das belegen die zahlreichen Streuobstpflanzungen, welche im Rahmen der Eingriffsregelung in den letzten Jahrzehnten angelegt wurden und die durch ihre flächendeckende Vergreisung heute weder einen nennenswerten Beitrag zum Klimaschutz, noch zum Naturschutz oder zu einer regionalen Nahrungsproduktion leisten.
Unser Vorschlag: Streuobstbestände brauchen ihr gesamtes Lebensalter lang regelmäßige Pflege in Form von Gehölzschnitt und Mahd, um ihre Funktionen nicht zu verlieren. Es braucht daher zusätzlich zu kurzfristig wirksamen Projektförderungen fortlaufende Förderprogramme für die Pflege.
Für den Erhalt der Obstgehölze auf Streuobstwiesen und in Alleen braucht es eine flächendeckende Baumschnitt-Förderung. Auf landwirtschaftlichen Flächen muss diese zusätzlich zur bereits existierenden Grünland-Förderung möglich sein. Auch nach Abschluss des 15 jährigen Erziehungsschnittes muss alle 3-7 ein Erhaltungsschnitt erfolgen, damit die Obstbäume ihre Vitalität und Stabilität nicht verlieren. Die gewerbliche Nutzung des Obstes kann die Kosten des Baumschnittes nicht wirtschaftlich tragfähig refinanzieren.
Die Schnittförderung sollte die tatsächlichen Kosten widerspiegeln und neben einer Staffelung nach Baumalter unterscheiden, ob es sich um eine Auftragsvergabe handelt bzw. ob die/der Auftraggeber:in einen Qualifikationsnachweis besitzt. Die Förderung sollte für Landwirt:innen ebenso gelten wie für Vereine, Gemeinden und Privatpersonen. Da diese nicht in den fünf-jährigen landwirtschaftlichen Förderzyklus fallen, ist eine jährliche Beantragung der Förderung möglich.
Diese Schnittförderungen müssen mit Pflanzförderungen von Stiftungen o. Ä. kompatibel sein. Sie müssen mit einer separaten Förderung der Sanierungspflege (siehe Punkt 3) einhergehen. Die Beträge der Pflegeförderung sind zu niedrig, um ungepflegte Bestände zu revitalisieren.
Unser Vorschlag: Der Sanierungsschnitt, Entbuschungs-Maßnahmen und kurzfristige Instandsetzungspflege (Wässern, Düngen) ungepflegter Streuobstbestände müssen als eigener Fördergegenstand in Streuobst-Förderkulissen enthalten sein.
Viele Streuobstbestände gehen im nächsten Jahrzehnt aufgrund des massiven Pflegerückstandes der Obstbäume für Natur- und Klimaschutz sowie Landwirtschaft verloren, wenn nicht zeitnah eingegriffen wird. Das betrifft sowohl Bestände mit Altbäumen, die aus der Nutzung und Pflege genommen wurden und dadurch Vitalität und Stabilität verloren haben, als auch Neupflanzungen, z.B. im Rahmen der Eingriffsregelung, welche keinen ausreichenden Erziehungsschnitt erhalten haben. Durch Sanierungsprogramme können aktuelle oder zukünftige Flächenbewirtschafter:innen unterstützt werden, die Streuobstwiesen langfristig wieder in Pflege und Nutzung zu bringen.
Unser Vorschlag: Als Bedingung für die Förderung sollten Mindestqualifikationen der Planer:innen und Obstbaumpfleger:innen verankert werden, um die Qualität sicherzustellen. Weder in der landwirtschaftlichen noch gärtnerischen Ausbildung wird der Pflanzung und Pflege von hochstämmigen Obstbäumen genügend Zeit eingeräumt, um eine ausreichende Qualität zu gewährleisten. Stattdessen ist die fachgerechte Anlage und Pflege durch spezifische Obstbaumpflege-Fortbildungen erlernbar. Diese sollten nachgewiesen werden, da es sonst weiterhin viel zu oft zu baumschädigenden Pflegemaßnahmen kommt.
Unser Vorschlag: In allen Förderprogrammen sollten fachliche Anforderungen an die Pflanzware und fachliche Empfehlungen zur Planung, Pflanzung und Pflege enthalten sein. Dieser Orientierungsrahmen hilft den Bewilligungs- und Prüfstellen und den Fördernehmer:innen, die Qualität der Umsetzung der Maßnahmen zu sichern. Die Bewilligungsstellen, in erster Linie die unteren Naturschutzbehörden, sollten zur Anwendung der Standards geschult werden.
Unsere Forderung: Die Bilanzierung für Kompensations- oder Ausgleichsmaßnahmen im Rahmen der Eingriffsregelung muss auch Punkte für den Baumschnitt von Streuobstwiesen ansetzen. Die gewerbliche Nutzung des Obstes auf Streuobstwiesen, welche als Ausgleichs- oder Kompensationsmaßnahme angelegt wurden, darf nicht ausgeschlossen werden.
Bei der Neuanlage von Streuobstwiesen als Ausgleichs- oder Kompensationsmaßnahme ist die Fläche mind. 25 Jahre vorzuhalten. Um einen naturschutzfachlich wertvollen Zustand der Streuobstwiese mit großen Obstbäumen zu erreichen, braucht es im gesamten Zeitraum einen Baumschnitt. Der Aufwand des Baumschnittes und der darüber geschaffene Wert muss mit bilanziert werden, um die Kosten hierfür zu decken. Bisher wird davon abweichend in den meisten Bundesländern nur eine 3-jährige Anwuchspflege finanziert, sodass keine wertvollen Biotope geschaffen werden.
Eine Aufwertung von alten Streuobstwiesen über einen Sanierungsschnitt und eine Entbuschung sollte als mögliche Ausgleichs- und Kompensationsmaßnahme aufgenommen werden. Diese sollte prioritär vor der Neuanlage von Streuobstwiesen durchgeführt werden, insbesondere, wenn die langfristige Pflege von Neuanlagen nicht gewährleistet ist. Als vorbildhaftes Bilanzierungsmodell kann hier das Thüringer “Handlungskonzept Streuobst” dienen. Einheitlich sollten alle Bundesländer auch eine gewerbliche Nutzung des Obstes auf Ausgleichs- und Kompensationsmaßnahmen erlauben (weitere Erläuterungen siehe “6. Gewerbliche Nutzung des Obstes in allen Förderprogrammen erlauben”) .
Unser Vorschlag: Förderprogramme mit dem Ziel des Klima- und Naturschutzes für Neuanlage oder Pflege von Streuobstwiesen dürfen die gewerbliche Nutzung des Obstes auf den förderfähigen Flächen nicht ausschließen.
Förderprogramme zur Neuanlage inklusive Baumerziehung, zur Sanierungspflege, sowie schon bestehende Programme zur Unterwuchspflege müssen auch für gewerblich genutzte Streuobstwiesen gelten. Auch eine Förderung von Obstbeständen auf Flächen, welche nicht der Agrarförderung unterliegen, muss die gewerbliche Nutzung des Obstes erlauben. Zurzeit wird dies in einigen Förderprogrammen und in einigen Bundesländern auch auf Kompensationspflanzungen nach § 13 und § 15 BNatSchG ausgeschlossen.
Erst die wirtschaftliche Nutzung des Obstes auf Streuobstwiesen führt zu einem langfristigen Interesse am Erhalt der Bäume und ist damit der stärkste Garant für viele intakte Streuobstwiesen. Aber auch bei einer gewerblichen Verwertung des Obstes bedarf die Pflege einer Streuobstwiese derzeit zusätzlich staatlicher Förderung für Baumschnitt, Unterwuchspflege und Neuanlage, um kostendeckend und nachhaltig zu sein. Denn einer sehr extensiven Nutzung steht eine aufwendige Pflege gegenüber. Eine gleichzeitige Förderung stellt daher keine unverhältnismäßige Überförderung dar und steht zudem nicht mit den Anforderungen des Klima- oder Naturschutzes in Konkurrenz, sondern unterstützt diese.
Unsere Forderung: Gebietseigene und gebietsfremde Wildobst- und Nussarten, die nicht invasiv sind, also keine Gefahr für das Biotop Streuobstwiese darstellen und besondere Eigenschaften in Bezug auf Klimaveränderungen mitbringen, sollten auf Streuobstwiesen erlaubt sein und in der Förderung von Streuobstwiesen explizit eingeschlossen werden. Das gleiche sollte für Pflanzverfahren gelten, die eine Anpassung an den Klimawandel fördern.
Wärmeliebende Obstarten wie Quitten, Aprikosen, Maulbeeren und Feigen, sowie Wildlinge und Kultursorten von Walnuss und Esskastanie, anderen Nussarten sowie Wildobstarten wie bspw. Mispel, Speierling, Mehlbeere, Eberesche, Elsbeere, Kirschpflaume, Holz-Apfel, Wild-Birne sollten einbezogen werden, da sie andere und dabei größtenteils trockenere und wärmere Standortbedingungen vertragen als die bisher auf Streuobstwiesen dominierenden Arten (Apfel, Kirsche, Pflaume, Birne). Sie bergen damit großes Potenzial für Anpassungen an Klimaveränderungen auf Streuobstwiesen und sind zudem extensiver in der Baumpflege. Auf landwirtschaftlich genutzten Streuobstwiesen sind gebietsfremde Arten zur Obstgewinnung bereits zugelassen. Auf nicht landwirtschaftlich genutzten Streuobstwiesen sollten gebietseigene Wildobst und Nussarten (und ihre gebietsfremden Zuchtsorten) zugelassen werden, wenn sie so gepflanzt werden, dass sie den Charakter des Biotops nicht verändern und als nicht-invasiv eingestuft sind. Förderprogramme zur Neuanlage, Pflege und Bewirtschaftung sollten explizit für diese erweiterten Artenlisten gelten.
Klimaangepasste Pflanzverfahren wie Direktsaat oder Vor-Ort-Veredlung bieten großes Potential bei der Neuanlage von Streuobstwiesen. Sie werden in den Förderbedingungen, insbesondere bei der Förderung von oder den Anforderungen an Pflanzgut allerdings oft nicht berücksichtigt. Zukünftig sollten sie explizit mitgedacht und zusätzlich unterstützt werden.
Unser Vorschlag: Die Ökosystemdienstleistungen, die Landwirt:innen durch langfristige Bereitstellung ihrer Fläche, die nachhaltige Bewirtschaftung einer Streuobstwiese erbringen sowie der damit verbundene Mehraufwand sollten finanziell honoriert werden.
Um der erschwerten Bewirtschaftung von Streuobstwiesen Rechnung zu tragen und die damit verbundenen gesellschaftlichen Leistungen zu honorieren, ist eine jährliche Prämie pro Baum einzuführen (zusätzlich zur Förderung für den Baumschnitt). Als Vorbild kann hier das bayerische KULAP-Programm mit 12 Euro/Baum dienen.
Unser Vorschlag: Ebenso wie die Obsterzeugung auf Plantagen sollte hochstämmiger Streuobstbau als Erwerbsobstbau anerkannt werden und für ökologisch-wirtschaftende Betriebe als „ökologische Dauerkultur Obst“ gefördert werden. Als Nachweis sollte die wirtschaftliche Bedeutung des Obstes gelten.
Obstanbau auf Streuobstwiesen ist ein besonders ökologisches Anbauverfahren – hier wird durch die Langlebigkeit der Bäume, Erhalt des Unterwuchses und Verzicht auf Spritzmittel in hohem Maße Biodiversität gefördert und Klimaschutz betrieben. Er ist gleichzeitig verbunden mit aufwendigeren Pflege- und Ernteverfahren und dem größeren Risiko von Ernteausfällen. Die wirtschaftliche Erzeugung von Tafelobst oder anderen Weiterverarbeitungsprodukten auf Streuobstwiesen sollte daher genauso wie in anderen Anbausysteme für ökologisch wirtschaftende Betriebe als “ökologische Dauerkultur Obst” förderfähig sein. Der erwerbsmäßige Obstbau sollte dabei nicht an einer Mindestbaumanzahl festgemacht werden, sondern an einem Nachweis der wirtschaftlichen Nutzung.
Streuobstwiesen leben von ihrer Nutzung. Eine wirtschaftliche Perspektive für ihre Produkte ist dringend notwendig. Es braucht Programme, die Aufpreis- oder Vermarktungsnetzwerke fördern, sowie Investitionen zur Verarbeitungstechnik bezuschussen. Auch ein entsprechendes Bewusstsein in der Bevölkerung sollte dringend gefördert werden.
Damit auseinanderbrechende Obstbäume der Vergangenheit angehören